Systemisch Krisen meistern in Teams mit hoher Fluktuation

Wenn die einzige Konstante der Wechsel ist: Wie Teams trotz ständiger Veränderung handlungsfähig bleiben.


Das Team von gestern ist nicht das Team von heute


Es gibt diese Teams, die trotz bester Absichten aneinander vorbeireden.

Kennst du das auch?

Meetings, die im Kreis laufen. Entscheidungen, die nicht getragen werden. Diese unterschwellige Spannung, wenn schon wieder jemand geht.


Letzte Woche saß ich mit einem Führungsteam zusammen. Vier von acht Positionen waren in den letzten sechs Monaten neu besetzt worden.

Die Stimmung: angespannt bis resigniert.

"Wir fangen immer wieder bei null an", sagte die Teamleiterin.

"Jeder neue Kollege bringt seine eigene Vorstellung mit. Kaum haben wir uns eingespielt, geht der nächste."

Klingt zu abstrakt? Oder vielleicht doch vorstellbar?

In Zeiten, wo Jobwechsel zur Normalität geworden sind und Teams sich schneller neu formieren als je zuvor, braucht es andere Ansätze.

Nicht die perfekte Teamzusammensetzung. Nicht das ideale Onboarding.

Sondern die Fähigkeit, mit permanenter Veränderung produktiv umzugehen.

Ein Beispiel aus der Praxis:

Stell dir vor, dein Team ist wie ein Wald.

Nicht wie ein gepflegter Park mit festen Wegen.

Sondern wie ein lebendiges Ökosystem, in dem ständig etwas wächst, stirbt, sich verändert.

Manche Bäume stehen seit Jahren. Andere sind erst kürzlich gewachsen. Wieder andere werden bald fallen.

Trotzdem funktioniert der Wald als System.

Worauf ich damit hinaus will:

Teams mit hoher Fluktuation brauchen keine Stabilität im klassischen Sinn.

Sie brauchen systemische Resilienz.

Die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden, ohne die eigene Identität zu verlieren.


Von der Krise zur systemischen Chance


Was bedeutet das konkret?

In der systemischen Organisationsentwicklung arbeiten wir mit einem Paradox:

Je mehr wir versuchen, Fluktuation zu verhindern, desto problematischer werden ihre Auswirkungen.

Je mehr wir sie als Normalität akzeptieren, desto besser können wir damit umgehen.

Das Effectuation-Konzept lehrt uns: Arbeite mit dem, was da ist.

Nicht mit dem, was sein sollte.

In einem Team mit hoher Fluktuation heißt das:

  • Wissenstransfer als kontinuierlicher Prozess, nicht als einmaliges Onboarding
  • Flexible Rollen statt starre Stellenbeschreibungen
  • Redundanzen schaffen statt Spezialistentum fördern
  • Beziehungsqualität vor Prozessoptimierung

Die Forschung zu subjektivierendem Handeln zeigt:

Menschen in unsicheren Situationen handeln erfolgreicher, wenn sie auf Erfahrung und Intuition vertrauen können.

Wenn sie Raum haben für Experimente. Wenn Fehler als Lerngelegenheiten verstanden werden.

Für mich geht es darum, genau diese Räume zu schaffen.

Räume, in denen Teams trotz oder gerade wegen der ständigen Veränderung handlungsfähig bleiben.


Die Macht der geteilten Unsicherheit


"Aber wie sollen wir planen, wenn wir nicht wissen, wer nächsten Monat noch da ist?"

Diese Frage höre ich oft.

Meine Gegenfrage: Wie planst du dein Leben, wenn du nicht weißt, was morgen passiert?

Du handelst trotzdem. Du triffst Entscheidungen. Du bewegst dich vorwärts.

Paradoxiemanagement nennt die Wissenschaft das.

Die Fähigkeit, mit Widersprüchen produktiv umzugehen.

In der systemischen Beratung arbeiten wir mit multiplen Perspektiven.

Jedes neue Teammitglied bringt eine neue Sichtweise mit.

Statt das als Problem zu sehen, können wir es als Ressource nutzen.

Fresh eyes see new possibilities.

Ich erlebe immer wieder, wie Teams durch hohe Fluktuation innovativer werden.

Flexibler. Anpassungsfähiger.

Wenn sie aufhören, gegen die Veränderung zu kämpfen.

Wenn sie anfangen, mit ihr zu tanzen.


Praktische Ansätze für resiliente Teams


Wie geht das konkret?

Erstens: **Wissensmanagement neu denken**.

Nicht in Dokumenten, sondern in Beziehungen.

Regelmäßige Wissenstransfer-Rituale. Tandem-Arbeit. Story-Telling-Sessions.

Zweitens: **Psychologische Sicherheit schaffen**.

Neue Teammitglieder brauchen vom ersten Tag an das Gefühl, dazuzugehören.

Fehler machen zu dürfen. Fragen stellen zu können.

Drittens: **Kernidentität stärken**.

Was bleibt, wenn alles andere sich verändert?

Die gemeinsamen Werte. Der Sinn der Arbeit. Die Art, wie wir miteinander umgehen.

Viertens: **Rituale und Strukturen etablieren**.

Nicht als starre Regeln.

Sondern als verlässliche Ankerpunkte in der Veränderung.

Check-ins und Check-outs. Retrospektiven. Gemeinsame Reflexionszeiten.

Was bedeutet das für dich und dein Team?

Vielleicht ist es Zeit, die Fluktuation nicht mehr als Feind zu sehen.

Sondern als Chance für kontinuierliche Erneuerung.

Als Einladung, immer wieder neu zu beginnen.

Mit dem zu arbeiten, was gerade da ist.


Der systemische Blick macht den Unterschied


Letzte Woche, in dem Führungsteam mit der hohen Fluktuation:

Wir haben nicht versucht, die perfekte Lösung zu finden.

Stattdessen haben wir geschaut: Was funktioniert bereits?

Wo sind die Stärken im System?

Welche Ressourcen sind vorhanden?

Und siehe da: Die hohe Fluktuation hatte auch Vorteile geschaffen.

Neue Netzwerke. Frische Ideen. Eine gewisse Unvoreingenommenheit.

Das Team begann, sich selbst anders zu sehen.

Nicht als Opfer der Umstände.

Sondern als agile Einheit, die mit Veränderung umgehen kann.

Für mich geht es genau darum:

Den Blick zu verändern.

Neue Perspektiven zu ermöglichen.

Handlungsfähigkeit dort zu schaffen, wo andere nur Probleme sehen.

Wie gehst du mit Veränderung in deinem Team um?

Welche ungenutzten Ressourcen schlummern in der vermeintlichen Krise?

Was würde sich verändern, wenn du die Fluktuation als Normalität akzeptierst?


Du spürst, dass dein Team mehr Potential hat, als die ständigen Wechsel vermuten lassen? Lass uns gemeinsam erkunden, welche systemischen Ansätze für euch passen. Nicht mit vorgefertigten Lösungen, sondern mit dem, was bei euch bereits da ist. Ein erstes Gespräch bringt Klarheit, wie wir die Veränderung zu eurer Stärke machen können.

Hier schreibt: Konrad Gühlstorf

Hallo, mein Name ist Konrad! Ich hoffe, Du hattest viel Spaß und schöne Erkenntnisse mit diesem Beitrag. Schreib mir gerne, wenn Du Fehler findest, Fragen oder weitere Anregungen hast: guehlstorf@nevoteam.de.